Die Abenteuer von JHWH

Ich habe das Alte Testament gelesen. Zumindest den langen Hauptteil, ohne die ganzen Anhänge, in denen sich Wiederholungen wiederholen. Manche der über 1.000 Seiten hab ich aber ehrlicherweise auch übersprungen, wenn kapitelweise nur Namen und Verwandtschaftsverhältnisse aneinandergereiht werden (X zeugte Y). Die meisten der Leute kommen danach ohnehin nicht mehr vor, also was soll das Namedropping.

Ohne jede religiöse Erziehung aufgewachsen, aber eben in Deutschland, hatte ich natürlich schon so ein paar Dinge aus der Bibel mitbekommen, das bleibt ja nicht aus. Beim Lesen fand ich manches überraschend und vieles nervig. Ich musste mich ziemlich durchkämpfen, obwohl ich eine halbwegs zeitgemäße und damit deutlich besser lesbare Übersetzung aus den 1970ern vor mir hatte. Groovy!


Ich will weder nacherzählen noch viel kritisieren. Das ist mir beim Lesen aufgefallen:

Zumindest zu Beginn gesteht Gott tatsächlich die Existenz anderer Götter ein. Er selbst ist der wahre und einzige, aber andere gibt es eben auch. Später im Buch sieht Gott das dann anders und tötet diejenigen, die seine frühere Meinung vertreten. Er selbst sagt, dass er seine Meinung nie ändert.

Insgesamt sterben schon viele Leute durch Angry God, oft aus nichtigen Gründen. Gott holt sich selten eine zweite Meinung ein (manchmal aber schon, was natürlich auch lustig ist), bevor er Städte auslöscht, Kinder wegen der Verfehlungen ihrer Väter tötet oder einen der Stämme Israels im Boden verschwinden lässt (weil ein paar Leute beim Opferfest den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht haben).

Das Konzept von Himmel und Hölle gibt es noch nicht oder nur sehr unausgereift. Das kam wohl erst später, mit Bibel 2: Schau mal, wer da kommt!. Die Menschen sollen Gottes Weisungen befolgen, weil das einfach die Voraussetzung für ein gutes Leben im Hier und Jetzt ist. Was nach dem Tod kommt, ist nicht relevant. Das Wort Seele kommt nicht vor.

Manche Geschichten werden einfach zweimal erzählt, mit anderen Figuren an anderen Orten, teilweise auch mit etwas anderem Ausgang. Damit meine ich nicht einmal Klassiker wie die Zehn Gebote, die sich als Leitmotiv zu wiederholen lohnen.

Einige der vielleicht bekanntesten Geschichten sind ziemlich kurz (Turmbau zu Babel, David gegen Goliath, der eine Typ im Fisch/Wal/Seeungeheuer). Nach einer halben Seite ist alles schon wieder vorbei, dann geht es erneut und ermüdend um Gott und wie groß er sich findet.

Dass viele Autoren über Jahrhunderte an den Texten herumgebastelt haben, merkt man oft am Ende der Kapitel. Da gibt es dann offensichtlich nachträglich eingefügte Präzisierungen oder Erweiterungen, vielleicht um die Auslegung zu vereinheitlichen (hat ja super geklappt, siehe die letzten 2000 Jahre). Manchmal wird auch einfach ohne jeden Kontext ein einziger Satz hinzugefügt. Zum Beispiel, dass Sex mit Tieren untersagt ist. Okay!

Das Buch ist ein unendlich wirkender Strom von sich wiederholenden Regeln und Verhaltensaufforderungen, die sich oft widersprechen, wie könnte es anders sein. Manche sind einfach nur lustig. Man soll den Priester holen, wenn sich im Haus Schimmel gebildet hat. Der schaut sich das dann an. Man soll keine Stufen vor die Gotteshäuser bauen, damit man den Priestern beim Hinaufgehen nicht unter den Rock schauen kann. Schwarz auf weiß steht das da.

Geld und der richtige Umgang damit nimmt viel Raum ein. Zinsen zu nehmen ist eigentlich nur erlaubt, wenn das Geld an „Fremde“ verliehen wird. Auch hier dürfen die Zinsen nicht zu hoch sein. Statt Zinsen von anderen Israeliten zu verlangen, kann der Gläubiger jeden Morgen zum Schuldner gehen und ihm sein Gewand wegnehmen. Abends bekommt er es zurück, damit ihm nachts nicht so kalt ist.

Schön finde ich die Idee des Erlassjahres. Alle fünfzig Kalenderjahre werden ausnahmslos alle Schulden für null und nichtig erklärt. Menschen, die durch Schulden ihr Haus verloren haben, dürfen zurückkehren.

Kein Fazit, aber: Der Erkenntnisgewinn beschränkt sich für mich im Grunde darauf, dass das Alte Testament seltsamerweise gar kein Buch für Gläubige ist. So hatte ich es mir eigentlich vorgestellt. Wer Halt oder sonst etwas sucht, wird hier eher nicht fündig. Es richtet sich (vielleicht, was weiß ich) direkt an Menschen, die vom Glauben abgefallen sind oder ihn nie hatten. Sie sollen genau wissen, welches Verderben sie erwartet.

Kommentieren 31. Januar 2024

I’m gonna need

What do I need, but really what do I need
A bed for two people but it’s just me
Some sort of table maybe, a wardrobe, a life

Friends. That’s about it but
Also a chair or make it four
A bookshelf, possibly two or three ++
Definitely not the DVDs

Carpets would be nice, an ottoman
Maybe a couch to sit on
Not a TV to stare at
Another bookshelf
Just for myself really

No fewer than a dozen plants
We all need soil, water, fertiliser
Two rows of t-shirts, seven pants exactly
A drawer full of mismatched socks

At least two cats, two notebooks
One love, one umbrella
Zero nothingness
Replace and erase

Kommentieren 27. Oktober 2023

Hide and Seek

Mit Starcraft hab ich nichts am Hut, und auch zum Ex-Spieler IdrA könnte ich nichts sagen, würde ich je nach ihm gefragt. Bei Wikipedia steht er war target of many cheeses and early-game all-ins [citation needed], was auch immer das bedeuten mag.

Trotzdem wurde ich gerade an IdrA erinnert, oder besser gesagt an ein kurzes Video mit ihm aus dem Jahr 2011, das seitdem neben mir noch 1,4 Millionen andere Menschen angesehen haben. Es geht darin um einen nur angedeuteten, von IdrA aber dennoch beantworteten High five. Dann bewahrt er Haltung und lächelt nicht mehr mit seinen Augen.

Die Musikuntermalung dieses 22-Sekunden-Clips hab ich seit zwölf Jahren im Kopf, aber nur ganz weit hinten, und auch noch unbewusst, abgespeichert. Nicht als Ohrwurm, eher als vage Melodieerinnerung, die nie tatsächlich existiert haben muss, sondern auch von mir selbst synthetisch im Eigenheim meiner Gedankenwelt platziert sein könnte (uuuhhhhhh …).

In diesen Vine-Zusammenstellungen aus den frühen 2010ern, die mir YouTube gerne empfiehlt (hashtag millennial), kommt der Song auch ab und zu vor. Also hab ich einfach mal nachgeschaut, was hat mich bislang daran gehindert. Das Original ist nicht, wie Google mir erst weißmachen wollte, Whatcha Say von Jason Derulo. Ich kenne doch meine samplenden RnB-Pappenheimer.

Es ist von Imogen Heap und heißt Hide and Seek. Ob diese Erkenntnis jetzt eher Achselzucken oder doch ein ja klar, weiß doch jeder hervorruft, kann ich nicht beurteilen, dafür bin ich zu weltfremd. Das Lied, so eigenartig es in seiner Gesamtheit auch ist (Wikipedia: an a cappella folktronica ballad), war für seine Verhältnisse anscheinend ziemlich erfolgreich. In Filmen und Serien wurde Hide and Seek häufiger untergebracht, zuletzt bei Normal People von der BBC, cool!

Den Song behalte ich jetzt exemplarisch als Monument meiner Eigenart (uuuhhhhhh …), von einem kulturell relevanten Phänomen nur höchstens die Hälfte mitzubekommen (Starcraft, Vine, diverse Serien), und das nicht selten über die Drittverwertung.

Mit obskuren Insiderdetails täusche ich darüber hinweg, dass ich in der Regel überhaupt keine Ahnung davon habe, worüber ihr eigentlich redet. It’s all for the best!

Kommentieren 30. August 2023

Ćevap, kebab

In Bosnien und Herzegowina haben die Nummernschilder schon dieses blaue EU-Banner an der Seite, aber die Sterne fehlen noch, kein Witz, kein Hoheitszeichen.

Kirchenglocken und Gebetsrufe sind in Sarajevo zu hören, manchmal auch gleichzeitig. In der Innenstadt haben die Minarette LED-Lichter, was nicht nur kitschig klingt, sondern auch kitschig ist. Cocktails kosten drei bis vier Euro, auch nach dem Freitagsgebet.

Sarajevo hat europäische Ankaravibes, was für eine bizarre Stadt. Kaum zu begreifen, für mich nicht zu fassen. Ich lese Wikipediaartikel über ethnische Zusammensetzungen, über Belagerungen, über Kriegsverbrechen, und verstehe danach weniger als vorher.

Deutschland und Österreich sind hier seltsam präsent, überall gibt es Sparkassen und die Erste Bank. Bezahlt wird mit Konvertibler Mark. Schuhe gibt es bei Deichmann und im Drogeriemarkt dm ist einfach alles konsequent auf Deutsch beschriftet, es ist mir fast peinlich. So müssen sich feinfühlige Amerikaner fühlen, wenn sie bei uns diese ganzen Fastfoodketten sehen.

Auf ihrer Webseite warnt die bosnische Bahn, dass mit mehr als 60 km/h nicht zu rechnen ist. Wovor nicht gewarnt wird, sind die Onlinetickets. Diese müssen nicht nur ausgedruckt, sondern vor Fahrtantritt am Bahnhof noch gestempelt, bezahlt und möglicherweise unterschrieben werden. Ich verweigere mich diesem Blödsinn und stehe deswegen ohne Ticket eine halbe Stunde vor Abfahrt in der Schlange, die nach Mostar will. Irgendwann wird es einer Beamtin zu bunt und sie ruft uns zu, dass wir einfach irgendwo einsteigen sollen.

Das Einsteigen gestaltet sich natürlich schwieriger als gedacht. Nur eine der etwa 20 Türen des Zuges ist offen. Davor steht ein weiterer Beamter, der Tickets sehen und viel lieber einfach nur in Rente gehen will. Eine lebhafte Diskussion entfacht sich. Es geht im Detail darum, wer was zu welchem Zeitpunkt wem warum zugesagt hat. Die meisten Fahrgäste steigen anschließend ohne Fahrschein ein. Auf der dem Bahnsteig abgewandten Seite des Zuges sind sämtliche Türen geöffnet.

In Mostar, der bosnischen Stadt mit der Brücke, diesem Symbol für Symbole, wirken die Fronten verhärteter als in Sarajevo. Es gibt eine katholisch-kroatische und eine muslimisch-bosniakische Seite, ein Fluss trennt sie und ja, die Brücke schlechthin verbindet sie, aber am Ende sind es Touristen wie ich, die sie überqueren. Eine türkische Firma hat sie Jahre nach der Zerstörung durch die kroatische Armee wieder aufgebaut.

Touristen zerstören, wonach sie auf der Suche sind. Mostar ist extrem überlaufen und ich bin Teil des Problems, so peinlich und wahr und offensichtlich das klingen mag. No thank you sage ich zu den Damen, die mich in Restaurants locken wollen. Mittlerweile fasse ich mir dabei mit der rechten Hand an mein Herz, das habe ich mir von Arabern abgeschaut, eine wunderbare Geste.

Ganz im Süden dieses wunderschönen Landes gibt es keine Schienen. Der Busfahrer nimmt mich mit Richtung Kroatien, fährt aber diverse inoffizielle Umwege, um unterwegs noch seine anderen Freunde einzusammeln, was gleich zu mehreren vermeidbaren EU-Außengrenzkontrollen führt. Dubrovnik, so stellt sich aber schnell heraus, ist alle Mühen wert.

Wenn es eine Stadt auf der Welt gibt, die ich nicht belagern möchte, dann wäre es Dubrovnik mit seinen unglaublich massiven Mauern auf der einen und der offenen See auf der anderen Seite. Schon Napoleon hat das damals verstanden, aber in den 90ern war es die Armee der Serben und kurioserweise auch die der Montenegriner, die es versuchten. Wirklich funktioniert hat es natürlich nicht, ein montenegrinischer Ministerpräsident hat sich Jahre später dafür entschuldigt, es war einfach eine dumme Idee.

In Dubrovnik von Stadtstrand zu Stadtstrand zu pendeln ist in jedem Fall eine viel bessere Idee als die Bevölkerung aus religiös-territorialen Gründen mit Brandbomben zu terrorisieren. Dreißig Jahre später lassen sich touristische Karaokeboote mit minimaler Willensstärke ignorieren, die ganz normale Fähre zur autofreien Insel Lupod kostet 4,11 Euro. Dort gibt es zwar auch gefälschte Modrić-Trikots und anderen Kitsch, aber mit Šunj den vielleicht schönsten Sandstrand, an dem ich je war.

Fazit gelöscht weil schlecht.

2 Kommentare 01. Juli 2023

Friedhelm Brebeck

I never went to Bosnia and I never will but I’m going to be there for a week soon, inshallah. I know nothing about Bosnia („“) and by this I mean the country as a whole, as a complete unit, I am trying to make a statement that relates to all the parts of something, as in to neither who or why to expect.

Back then, in the mid-90s, not to reduce, or even worse, belittle Bosnia or Herzegovina or any of their parts, but still, let me tell you this story, which concerns my childhood.

I was merely ten years old and me and my elementary school ass were watching the news and Friedhelm Brebeck, the ARD news reporter, made me grow up in a way I came to terms with only decades later. What radicalised you, people ask. Friedhelm Brebeck is one of my answers, next to Peter Lustig of course.

In Sarajevo, he would say, with his very own and unmistakable voice, he would almost always begin his reports with In Sarajevo, so full of weltschmerz, so full of why can’t things just be the way we want them to be for fucks sake. Convert your Convertible Marka to 100 Fening, no questions asked. He would continue to educate me nonetheless, he would tell me about the snipers, he would

Kommentieren 27. Mai 2023

Six things I was wrong about

I was and still am wrong about a lot of things, how could it be any different. So here’s a casual list of both physical items and not so physical ideas I changed my mind about in recent years, presented by Buzzfeed. Grow to glow

QR codes. When they came out I thought what and why, they seemed like a solution in search of a problem. The plague showed me, and I guess lots of other people too, that they can indeed be something if used correctly. QR code restaurant menus are also okay, I dont mind them, but please provide Wi-Fi at least, you Freiburg bunker bar people

Indoor plants. Again it was Corony who/which made me stop and think, like why don’t I have plants. Now I have a dozen of them and as it turns out they don’t die when you water them, who would have thought. I pretend to think they teach me to be patient, but the truth is this will never happen as i want things now and what do you mean you’re ten minutes late

Wireless headphones. The headphone jack is a timeless classic, like your mother. It puts the universal part of USB to shame and I hope it never disappears, again, like your mother. Bluetooth headphones are actually fantastic though, they almost seem like AR devices to me. So light you forget about them.

Alcohol. Still a bit on the fence on this one as it’s objectively bad, but I now finally see why people like it, including me. A poison that makes you feel you can do things you actually can’t. Illusions are important. Not being yourself is important.

Owning your router. I always rented them because it’s normal here, not realising what I was missing. Fritzbox sure is a stupid-ass name, but owning one lets me worry about other things besides modems, which sounds like I was constantly worrying about them, which is not true and defamatory. Thank you Fritzbox.

Stocks I guess. Again I don’t really know but I might as well profit from the system that’s exploiting us all, denn es gibt kein richtiges Leben im falschen. Ich bin so konservativ geworden, dass ich den Kapitalismus nicht nur verteufle, sondern ihn ausnutze, aus persönlicher und kollektivistischer Profitgier. Der Planet geht zugrunde, but for a beautiful moment in time, we created a lot of value for shareholders. ESG ist okayish, SRI ist besser, es gibt die Umweltbank und die GLS Bank. Geld als Sache schlechthin wird nicht einfach verschwinden, also organisiert euch ihr Traumtänzer

Kommentieren 07. April 2023

The Community Jacket

Certain things, as we all learned over the years, are just too good to keep to yourself, you gotta share to spread the joy. In my case we are for some reason talking about a jacket I bought around ten years ago, in Münster, a piece of clothing I have since been referring to as The Community Jacket, for reasons. Putting it on means you are now part of something bigger, not in a cult kinda way or anything, more of a greater than the sum of all parts and if you want to bring socialism into this, be my friend

Central Europe means it will get cold eventually, even in August somehow, even in Freiburg somewhat, after midnight at least. I am one of those people who brings a backpack no matter what or who or when, and I’m adult enough to know it’ll be colder at some point compared to when I leave the house. In this backpack, more often than not, you guessed it, The Community Jacket can be found.

Community means togetherness I guess, community also means looking out for one another I hope, and Freiburg hin oder her, irgendwann beginnt auch hier manche Person minimal zu frösteln und genau dann kommt die Gemeinschaftsjacke aus dem Rucksack und ins Spiel. Es freut mich so botschaftlich sehr, dass Leute verschiedenster Kontinente und Hintergründe diese perfekte Sommerjacke mal getragen und sofort liebgewonnen haben. Nach einem Jahrzehnt ist sie tatsächlich zu einer echten UN-Jacke geworden, ausschließlich auf Friedensmission unterwegs. Welches Kleidungsstück kann das schon von sich behaupten, also lasst mir diesen stolzen Moment

Ceine Ahnung, wer alles die Gemeinschaftsjacke letztlich mal getragen hat, ich weiß es wirklich nicht mehr ganz genau, oder etwa doch. Bei den folgenden Personen bin ich mir jedenfalls sehr sicher:

Ich (lol)
S. aus Rumänien
J. aus den USA
A. aus Deutschland
A. aus Russland
S. aus Deutschland
E. aus England
M. aus Südafrika
N. aus Griechenland
A. aus der Türkei
E. aus China
C. aus Italien
L. aus Spanien
S2. aus Deutschland

Kommentieren 14. Januar 2023

2022 war es

2009 war es, als ich meine Heimat dann endgültig verließ, tschüssikowski und San Frantschüssko, ich fühlte mich sowas von befreit, die Welt war da

Seitdem ist viel passiert, es ging manchmal kreuz und manchmal quer. Es gab die RUB und den Inselbogen, es gab La Croix-Rousse und Tränen später eine Waschmaschine im südbadischen WG-Keller, wo man zwei Euro hinterlegen musste, der Vermieterin wegen. Dann ein Gastspiel in Freiburgs Professorenviertel und jetzt eben 80 m² Alemania in der Peripherie, aber warum erzähl ich das

2022 war es, als auch andere Leute auf die Idee kamen, 5800 Hagen 7 zu verlassen, mit einem Rucksack voller Umzugs-Lkws im Gepäck. Niemals hätte ich zu wagen gedacht, dass der Tag eines Tages tatsächlich mal kommen würde, aber dann standen wir da in der Wohnung, die nur noch aus einem Skelett leerer Möbel, viel Vergangenheit, wenig Gegenwart und keiner Zukunft bestand.

Am nächsten Morgen trank ich einen halben schwarzen Kaffee, weil die Milch schon eingepackt war. Schwestern, Neffen und Nichten, selbst Nachbarn trafen ein und inshallah der Lkw war irgendwann voll, nur die Katze fehlte ausgerechnet, und ich wusste leider viel zu genau, wie sich das anfühlt

Eine gewisse Rationalität siegte zwischenzeitlich, wie es bei uns schon immer der Fall war, aber nur eine Stunde später kam der Anruf, der die Spannung löste. Die Katze war nicht nur aufgetaucht, sondern auch dingfest gemacht. Sie zieht mit um, verlässt die Stadt, das Randruhrgebiet, das Stück Schockstarre, findet ihre neue Heimat 400 Kilometer nordöstlich, hoffentlich einem besseren Leben entgegensegnend.

Zwei Tage später, es gab viel zu schleppen und aufzubauen, findet ein Generationenwechsel der besonderen Art statt. 37 Jahre hat es gedauert, aber dann ist es tatsächlich mein Vater, der die Taschenlampe in der Hand hält, um mir die Arbeit zu erleichtern. :-)

Kommentieren 13. Dezember 2022

Der globale Norden

Deutungshoheit, manche sprechen auch von einem Meinungsdiktat, ist historisch gesehen seit jeher Sache und Wille der Hauptstädte Südostasiens. Was soll also zu erwarten sein, wenn ausgerechnet ein europäisches Künstlerkollektiv die Kuration der documenta 15 übernimmt. Können die das, wer sind die überhaupt und was, wenn die uns mit uns selbst konfrontieren, was dann

Wie sich herausstellt, beginnt und endet es mit dem, was bei denen als Antisemitismusskandal medialisiert wird. Selbst von Europäern sollten im 21. Jahrhundert schon gewisse Standards zu erwarten sein, auch wenn ihnen das urtümlich Museale wohl nicht ganz auszutreiben ist.

Wo ist hier eigentlich die Kunst, fragt das indonesische Feuilleton vorsichtig, mit kolonialem Blick nicht nur zwischen den Zeilen. Der globale Norden, so der kaum versteckte Blickwinkel, ist eben anders, braucht Verständnis, Zeit, und ja, auch eine neue Form der Rücksichtnahme, ohne Altlasten, ohne Schwamm, von gestern.

Das europäische Volk, so anders es nun mal ist, hat die documenta 15 zu einer besonderen gemacht, hat es geschafft uns selbst zu hinterfragen, aber wen interessiert das.

Dass Antisemitismus bei der Ausstellung in der französischen Stadt Kassel mit Zensur einhergeht, ist befremdlich und bedarf der Diskussion, kann im postkolonialen Kontext aber durchaus als Zeichen des Fortschritts verstanden werden. Das dänische Kunstverständnis im Jahr 2022 beschränkt sich immerhin darauf, Werke zu verhüllen, statt sie zu verbrennen. Unter dem Führer Bismarck, der den Süden des Kontinents im ersten Europakrieg dominierte, hätte das noch anders ausgesehen.

Die Andersartigkeit ist der neuen documenta positiv anzurechnen, fast schon wertzuschätzen, wenn kulturelle Grenzen das erlauben würden. An der sicher vorprogrammierten Folgediskussion um die Rückgabe sogenannter Beutekunst ändert das natürlich nichts, wo sind wir denn hier. Im Archiv des Museums Sejarah Jakarta sind die Werke sicher aufgehoben und vor Plünderungen geschützt, anders als in Basel. Europäer sind selbstverständlich jederzeit eingeladen, sich vor Ort davon zu überzeugen.

Kommentieren 05. November 2022

I will do the job just fine

My dream is to pay 875 Euros a month towards my landlord‘s bills, but this one Italian-German with an RV hands me over 50 for my parking space, so it‘s 825 as far as the Finanzamt is concerned.

In a not so perfect world which is ours there is electricity as well as Putin to pay, so let‘s say a thousand every two fortnights and oh god there is next year and 2024 if we can’t prevent it. Thank you Bundesrepublik, thank you Schmidt and Kohl for the pipelines and thank you Schröder, actually not, thank you Merkel, your legacy is ruined, thank you whoever pretends to be in charge right now.

Here I am, here‘s Badenova, the local energy provider, they send me threatening letters day in day out, citing no less then all the laws known to humankind, but in the end it turns out I pay a Euro less per month for whatever reason, the fuck is this sadistic game I said yes to, who thought this through, this can‘t be real I signed up for this Ukrainian refugee help thing as I have square meters to spare but my phone stays silent and my inbox empty, I don‘t know what to make of this, when will my account drain endlessly. Am I, are the cats too much and what‘s Siberias role in all of this. Notice me for once.

Another reality manifests itself in the form of no more easy visas for Russians, how will I refuel my yacht, should I buy a football club, and how can I help my St. Peter friend in Georgia who has bills to pay. She’s a real person, it took a war to get her out of the country, she lied to authorities and won’t tell me the truth now.

Honestly Mr Schulz, if that is your real name, let me crawl through Nordstream, I‘ll burn the gas myself if i have to, I am the liquefied something something and again, Deutschland, fuck you and your conservative forces for not listening. I have since cooled down but am still raging, let me transform into odorless, colourless, non-toxic, non-pressurised storage, I will do the job just fine

Kommentieren 31. August 2022

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